Ute _ Wie schön wäre ...

Ute Promies, 65 J., w., Hessen- D,  

Es war an einem jener schwülen Sommerabende, die nie zu enden schienen, die Schwüle hatte den ganzen Tag das Land im Griff, endlich senkte sich die Dämmerung über die Natur, Büsche und Bäume versanken in ein Schattenreich, Kühle kam auf, und Mensch und Tier konnten endlich endlich aufatmen. 

Ich hatte mich auf meinen Balkon gesetzt, horchte dem fröhlichen Plätschern meines Bachlaufs und versank in ein genüssliches inneres Schweigen. Der Sommerjasmin verbreitete seinen Duft am Abend, wie so andere Blumen auch, ein kleines Lüftchen zog auf und Dankbarkeit machte sich in meinem Inneren breit, so nahe am Wald zu leben, umgeben von meinem blühenden Garten. Welche Gnade. Vielleicht war es die Dankbarkeit, was auch immer es war, ich hörte mich plötzlich selbst sprechen im Innern und lauschte meinen Worten.   

Heilige, göttliche Mutter Erde, höre mich, wie schön wäre es, wenn ich jetzt mit Dir sprechen könnte. Schon immer brennt mir auf der Zunge, Dir zu sagen, wie sehr ich Dich bewundere, bewundere und bestaune in Deinen unzähligen Formen, ob Tier, Mensch, Insekt, Baum, Pflanze, ich kann sie gar nicht alle aufzählen, denn Deine Erscheinungen sind so unendlich vielfältig, so unglaublich herrlich anzusehen. Schelling hatte einmal behauptet, Du hättest uns geschaffen, damit Du Dich mit Bewusstsein selbst ansehen kannst. Was meinst Du dazu? 

Als ich noch in meinen Worten schwelgte und dem Nachklang nachspürte, erschrak ich, als ich plötzlich eine mir fremde Stimme im Innern hörte, weich und machtvoll zugleich, die mir antwortete.

Erde: „Mein liebes Kind, Ihr seid nicht die einzigen, die Aug und Ohren haben, die fühlen, leiden und sich an ihrem Dasein freuen. Ich habe mich in viele Augen, Ohren, Sinne aufgespalten, unzählige Wesen bevölkern mich und erfreuen mich in ihrem Dasein, es ist ein buntes Spiel, ich erscheine in vielen Formen, probiere hier etwas aus und da, meine Erfindungskraft sind keine Grenzen gesetzt, Eure Phantasie hinkt immer her, Ihr kommt aus dem Staunen nicht heraus und alles, was Ihr denkt, hab ich zuvor schon ausgedacht. Was nicht besteht, vergeht. Neues folgt.“  

Ich: „Wie gibt es das, dass ich mit Dir reden kann?“ 

Erde: „Ich rede stets mit Dir, nur nicht in Worten. Wisse, wenn Du in Deinem Garten arbeitest, ist es nicht so, dass Dich tiefe Ruhe nach einer Zeit beseelt. So war ich das, ich habe mit Dir geredet und Dir Farben und Düfte geschickt.“ 

Ich: „So bist Du also nicht verstummt, wie einst Novalis uns sagte.“ 

Erde: „Nein, die Kinder, die mit Freuden zu mir kommen, erreich` ich schon. Die anderen haben sich von mir entfernt. Dies ist nicht zuträglich für sie, sie sind sich selbst fremd geworden. Daher hetzen sie von früh bis spät, rasen von einer Begierde zur anderen in ewiger Unruhe und Hast. Und haben sie endlich eine Begierde befriedigt, hoffen sie auf die nächste, die ihr sinnloses Dasein ausfüllt. Dazu schlägt sie die Sorge fast blind, sie könnten all die Besitztümer, die sie sich angehäuft haben, verlieren. So jagen sie das Leben im Kreise herum, bis es am Abend niedersinkt und stirbt.“ 

Ich: „Ich kann Dir da nur recht geben“, antwortete ich ziemlich banal. „Wenn ich in Bus und Straßenbahn sitze, sehe ich sie in einem fort nur in ihr Handy schauen, sie leben offenbar in einer Parallelwelt, kaum einer sieht aus dem Fenster. Das Leben wäre doch so viel einfacher, beherzigt man Tagores Spruch: Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten. Aber wer hat schon einen Garten?“ 

Erde: „Euch sind alle Möglichkeiten der Naturbeobachtung gegeben, tretet in einen stillen Dialog mit mir, geht in den Wald, beobachtet doch einfach nur einen Mistkäfer, was tut er, wo wohnt er, was schmeckt ihm?  Wenn Du ihn in der Natur genau beobachtest, welches große Reich tut sich für Dich auf. Nicht im Labor, sondern nur in der Natur wirst Du mit mir in einen Dialog treten können, Du wirst sehen, was ihm schmeckt, wie er fleißig ist, den Mist zu einer Kugel zu rollen, wie manch anderer Mistkäfer ihm sogar die Kugel neidet und sie kapern will. Ein einziger spannender Krimi entfaltet sich vor Euren Augen, von einem einzigen kleinsten Lebewesen. Wozu braucht Ihr Menschen eine Metawelt in einem Handy, ich verrate Dir den Unterschied, ich lebe und atme wie alle meine Geschöpfe, die Maschinen aber sind tot. Sie atmen nicht, sie leben nicht, sie freuen sich nicht. Sie werden nie in den Genuss eines lebendigen fühlenden Leibes kommen. Es sind nur Ideen narzistischer Menschen, die glauben, sie könnten über mich triumphieren und gar über Maschinen unsterblich werden. Dann hängen sie mit ihrem Chipüberbleibsel von Gehirn an einem Laptop, der ihnen berichtet, heute gibt es schönes Wetter. Ich glaube, Ihr nennt das Transhumanismus. Ich muss doch immer sehr lachen. Unsterblichkeit geht anders. Aber, liebes Kind, wichtig ist, bei aller Beobachtung, der Beobachter ist Teil des Experiments, so wie Ihr auch ein Teil von mir seid, auch wenn Ihr glaubt, Ihr seid besonders, Ihr seid nur eine von vielen meiner Arten.  Es bekümmert mich, dass Eure supranaturalistische Sicht, Euch alle vernünftigen Grenzen überschreiten lässt. Ihr vermehrt Euch ohne Sinn und Verstand, und seid am Ende einer Nahrungskette, Ihr seid Raubtiere, Ihr vermehrt Euch aber wie die Mäuse, die am anderen Ende stehen, Mäuse dienen allen anderen als Nahrung. Und in der Folge setzt Ihr mir sehr zu. Denke daran, ein Raubtier, dass ständig sich vermehrt und alle Ressourcen vernichtet, vernichtet am Ende sich selbst. Ihr seid nicht das erste Raubtier, dass die Welt verlässt. Aber zurück zur vermeintlichen Wissenschaft, die leider immer noch eure Sicht auf die Welt dominiert. Die Welt, die Erde sei nichts anderes als ein totes mechanisches Wesen. 

Ich frage Dich: Wie soll ein totes Wesen Lebendiges hervorbringen. Wie soll ein angeblich geist- und seelenloses Wesen, wie ihr mich tituliert, fühlende und denkende Wesen hervorbringen? Habe ich Euch nicht einen logischen Verstand gegeben, damit Ihr ihn einsetzt, an solchen Einsichten fehlt es in neuerer Zeit. Ich weiß schon, weshalb Ihr die einfachsten Wahrheiten, die Eure Vorfahren noch kannten, leugnet, sie würden Euch davon abhalten, mich wie einen toten Mechanismus zu behandeln, mich und all die anderen Lebewesen auszubeuten, mich mit Radioaktivität, Müll, Pestiziden, Quecksilber und anderen Giften zu überziehen, so dass mir kaum Zeit bleibt, meine guten Helfer einzusetzen, um Euch und den anderen Kindern ein Weiterleben zu gewähren. Bei solchen mechanistischen Theorien könnte man geradezu glauben, ihr benutzt Euren Verstand nie. Seelentot sind diejenigen, die alle anderen zu Maschinen machen, die Ihnen, meinen lieben Tieren, die Seele rauben vor lauter Qual, indem sie Ihnen Chips in den Kopf versenken und sie nach ihren Stromschlägen tanzen lassen. Was wollt Ihr damit beweisen. Ihr beweist damit nur, wes` Geistes Kind Ihr seid. Ich brauche das nicht weiter ausführen, Du weißt, wen ich im Sinne habe.“ 

Ich: „Heilige Mutter Erde, glaube mir, ich schäme mich zutiefst über diese Grausamkeiten, die einige unserer Spezies fähig sind, vor allem über ihre Ignoranz und Arroganz Dir gegenüber, denn sie glauben, sie hätten den Überblick.  Was sollen wir tun?“ 

Erde: „Ich habe Euch nicht den Verstand gegeben, um alle anderen zu versklaven. Ich habe Euch den Verstand gegeben, damit Ihr auf mein Werk aufpasst und liebevolle Hüterinnen und Hüter dieser Welt seid. Ihr seid ein Teil von mir, wie alle anderen auch. Nicht zu oberst, nicht zu unterst. Ganz im Gegenteil, der Weise dient, er herrscht nicht. Und ohne mich, ohne alle meine anderen Kreaturen, meine Tiere, Bäume, Pflanzen, Insekten, Spinnentiere, Steinwesen und und und seid Ihr alle nichts. Erinnere Dich, Eure Wissenschaft hat in letzter Zeit sehr vieles festgestellt, dass Euch beweist, wie sehr Ihr nichts anderes seid, als nur ein Teil von allem. Ein Ein Millimeter großer Wurm hat die gleiche Anzahl an Gene wie Ihr, gerade mal ca. 20000, Frauen haben 2400 Gene mehr, da sie durch die Fortpflanzung größere Aufgaben übernehmen als Männer, nur die mRNA, an der Ihr seid neuerdings herumpfuscht, ist größer bei allen Säugetieren als bei Würmern und Insekten, nicht nur bei Euch, da habt Ihr 38000. Das liegt daran, dass ich Euch Säugetieren die Möglichkeit gegeben habe, Neues und anderes zu lernen und Euch genetisch an die veränderten Umgebungen anzupassen. Ihr nennt das Epigenetik. Sehr klug. Abschließend will ich nur bemerken: Die Mäuse sind gerademal nur 1,5% von Eurem  Gensatz verschieden. Und schaut Ihr aus wie Mäuse? Nein. Du musst zugeben, ich bin genial. Aus einer Maus wird ein Mensch im Handumdrehen.“ 

Ich: „Nun, was sollen wir tun, liebe Erde?  Ich befürchte, wir sind von allen Deinen Kreaturen mittlerweile die bedauerlichsten. Aus unserer geistigen und seelischen Not durch die Entfremdung von Dir haben wir eine Tugend gemacht und feiern unseren Verstand als die Krone der Schöpfung. Der aber ist nicht groß genug, die Unendlichkeit Deiner vielfältigen Formen und ihr Zusammenwirken selbst bis in die kleinste Zelle hinein zu durchschauen. Was wir anpacken, machen wir verkehrt und suchen immer wieder nach den neuesten technischen Lösungen, die dann wieder neue Katastrophen produzieren. Alle Ursachen und Wirkungen in ihrer Totalität kann sowieso nur ein höchstes Wesen übersehen.“  

Erde: „Ja, Du hast recht, ich kann das, Ihr nicht. Bei aller Beschränkung, Ihr könnt dennoch vieles tun, Ihr könntet anfangen, nicht gegen mich zu kämpfen, mit Glyphosat und all den anderen Irrsinnigkeiten. Ihr könntet mich einfach mal beobachten und auf meine Fähigkeiten vertrauen. Gott sei`s gedankt, ist die neuere Wissenschaft in Teilen tatsächlich wieder geistiger und tritt in den Dialog mit mir. Dazu braucht es Zeit, Mut und ein anderes Bewusstsein, ein Bewusstsein, dass Eure Vorfahren hattet, da war es Pflicht, den Acker besser an seine Nachkommen weiterzugeben als man ihn bekommen hat, das hat jahrhundertelang funktioniert. Ihr hattet doch so vieles schon gewusst. Ihr seid nur den Versprechungen der letzten 200 Jahre aufgesessen, der Chemo- und Bioindustrie und anderen Perversitäten, die Euch schnelles Geld versprachen, in Wahrheit aber den Firmen das Geld bringen und Euch auf Dauer die Naturzerstörung. Natürlich ist es bequemer, mit Maschinen ein Feld zu bestellen, und zuvor Pestizide einzusetzen, aber es ist ein Holzweg, in 50 Jahren ist der Boden tot, kein Mikroorganismus ist mehr zu finden, nichts wird mehr wachsen. Ohnehin Eure Landwirtschaft nährt keine Tiere mehr, die Vögel und Nager verschwinden, da die anderen Pflanzen verschwanden, und mit ihnen die Insekten. Was macht Ihr dann? Wo bleibt Euer Verstand? Und doch macht ihr immer noch weiter in diese Richtung. Ich kann Euch nur raten, wendet Euch von jenen ab, die aus Gier alles zerstören. Baut etwas Eigenes auf. Unterstützt andere, die gibt es auch. Es könnte ein gemeinsames Projekt aller werden. Ihr könntet Bio-Bauern am Abend helfen, Euch in der Natur aufhalten und mich genießen statt vor dem Fernseher zu sitzen. Ihr könntet schon auf Eurem Balkon anfangen damit, Ihr könntet, im Sommer für Vögel und Insekten Wasser aufstellen, die Vögel, die nicht mehr viel zum Essen haben, auch im Sommer mit Mehlwürmern u.a. füttern, bienenfreundliche Pflanzen zum Erblühen bringen, auch auf Deinem Balkon, im Wald den Müll mitnehmen, den andere dort hinwarfen, es sind manchmal die ganz kleinen Schritte, die Euch aus Eurem Ohnmachtsgefühl herausholen. Es ist doch so einfach alles, wenn ein Fluss Euch sauberes Wasser gibt, dann haltet ihn rein, dankt es ihm, dazu muss man nicht Philosophie studieren, die Indigenen machen es heute noch so. Wenn Ihr Lachse fangen wollt, dann fangt nicht alle Lachse, sondern so, dass sie sich vermehren können und haltet sie nicht in Unterwasserkäfigen, seid voller Respekt ihnen gegenüber, dankt ihnen, sie sind auch um ihrer selbst willen da, ich habe alle Tiere und Pflanzen in Eure Obhut gegeben, nicht, damit ihr sie quält, sondern damit Ihr auf alle aufpasst. Gebt allen Tieren, allen Pflanzen, allem, was lebt, ihre Würde und Freiheit wieder oder wenigstens ein Leben, das sich zu leben lohnt. Ich weiß nicht, wann bei Euch die Gier Einzug hielt. Aber diese Gier wird alles zerstören. Und glaube mir, wer Gutes tut, hat einen 100% Schub an Immunabwehr, das hat Eure Neurowissenschaft erkannt, das habe ich so eingerichtet. Wenn alle dies tun, wird es bald wieder schöner und besser auf Erden. Jeder im kleinen. Begebt Euch in meine Arme, vertraut mir, ich nähre Euch, aber handelt nach meinen Gesetzen, die da heißen: Schönheit, Lebendigkeit, Würde, Hingabe, auch im Einzelnen, und Ihr werdet heil an Seele und Leib und alle anderen auch. So wird Euch täglich Energie zuwachsen.  

DENN: Energie ist das Geheimnis des Universums, Liebe ist der Schlüssel, Jeder von Euch hat unendliches Potential……   

Dann verebbte diese innere Stimme in mir, es war mir unmöglich mit ihr, der Erde, wieder in Kontakt zu treten. Ich versuchte, den Ton der Erde in meinem Innern entstehen zu lassen, vielleicht hatte ich ihn nur selbst erzeugt, es war mir aber nicht möglich. Merkwürdig, dachte ich. Erste Grillen begangen mit ihrem Nachkonzert und ein freundlicher warmer Mond schob sich über dem Horizont empor, er schwappte über den Hügel, groß und noch etwas unförmig, dann aber, je höher er stieg, erhob er sich wohlgestaltet über den dunklen Nachthimmel. Sterne leuchteten auf, Sirius und Orion waren noch nicht in Sicht, die sonst immer den nahen Herbst und Winter verkündeten. Es war der Sommer noch satt im Gange und im Licht der wenigen Lampen sah ich die Nachtfalter, die meine blühenden Büsche aufsuchten. Ich beschloss, dieser geheimnisvollen inneren Stimme in mir nicht weiter nachzugehen, jedenfalls nicht an diesem Sommerabend, sondern den Abend ganz und gar zu genießen, ganz erfüllt von der Schönheit unserer Erde.